Wir wollen einander helfen, doch fügen uns damit Leid zu. Hier findest du fünf Gründe, die ein gut ausgebildeter systemischer Coach vermutlich besser macht als dein/e beste/r Freund/in.
Kennst Du das? Du erzählst Deinem besten Freund oder Deiner besten Freundin, wie unglücklich Du in der aktuellen Partnerschaft bist. Sein oder ihr erster Impuls: helfen! Schließlich ist es ihnen ein Anliegen, dass es einem ihrer Lieblingsmenschen gut geht und Du schnell wieder glücklich wirst. Also legen sie sich richtig ins Zeug, erzählen, wie das damals bei ihnen und ihrem Ex abgelaufen ist, warum sie schon immer das Gefühl hatten, dass das zwischen Dir und deinem Partner nicht ganz passt und was Du jetzt am besten tun solltest, nämlich 1., 2. und 3.
Sie meinen es gut; daran besteht kein Funken Zweifel. Sie wollen helfen und sind der festen Überzeugung, dass ihre Bewältigungsstrategien bei Dir genauso erfolgreich sind. Doch sie verstehen nicht, dass Du einzigartig bist, ein Individuum, das in seinen Wertvorstellungen, seinen Erfahrungen, seinen Charakterzügen, seinen Fähigkeiten und seinen Genen einmalig ist. Was bei Deinem besten Freund oder Deiner besten Freundin funktioniert, kann für Dich gänzlich ungeeignet sein, Deine Partnerschaft so zu leben, wie sie für Dich stimmig ist.
Intuitiv-freundschaftliche vs. professionelle Hilfe
Ich möchte Dir gerne anhand dieses Beispiels zeigen, was wir im Systemischen Coaching anders machen, als es uns unsere (angeborene) Intuition oder (erlernte) Sozialisierung in solchen Situationen gebietet.
1. Zunächst einmal bekommst Du im Systemischen Coaching Raum. Viel Raum. Du darfst erzählen, was Du in der Partnerschaft als problematisch erlebst. Ein guter Coach wird Dich nicht unterbrechen, denn er weiß, dass Du nicht empfänglich bist, solange Du das Gefühl hast, nicht alles Wichtige erzählt zu haben. Auch die Zeit, die Du zum Denken brauchst, ist heilig.
2. Systemisch arbeitende Coaches schlagen Dich nicht. Klingt selbstverständlich? Wieso erteilen Dir dann so viele Menschen ständig Rat-Schläge? Als systemisch denkender Coach gehe ich davon aus, dass ich Dich niemals ganz verstehen kann, egal über welchen Zeitraum ich Dich begleiten darf. Dafür bist Du als Mensch zu einzigartig; das System, das Du mit Deinen Überzeugungen, Glaubenssätzen, Prägungen, Werten, Neigungen, Fähigkeiten usw. bildest, ist zu komplex, als dass ich mir jemals anmaßen kann, es durchdrungen zu haben.
Niemand kann dich und dein System
so gut verstehen wie du dich selbst.
Insofern könnte jeder gut gemeinte Tipp, jeder noch so klug abgewogene Gedanke für Dich und Deine Lebenswirklichkeit kompletter Unsinn sein – und Dich im schlimmsten Fall in größere Schwierigkeiten bringen, weil Du mit einer fremden Strategie ein Problem zu lösen versuchst, die Dir nicht entspricht. Was machen wir Coaches stattdessen? Wir haben tiefes Vertrauen, dass Du alles bereits in Dir hast, um die gewünschte Veränderung in Deinem Leben zu erreichen. Auch wenn Dein Verstand rebelliert – mit vielfältigen Methoden kitzele ich einen Lösungsansatz aus Dir heraus.
3. Wenn ich Dir keine Ratschläge für Deine Beziehung in Dein System einflöße, hat das einen wunderbaren Effekt: Du bist von der Wirksamkeit Deiner Lösungsansätze viel überzeugter, als wenn sie von außen kommen. Intrinsische Motivation schlägt extrinsische immer über kurz oder lang. Und: Du übernimmst die volle Verantwortung für Deine eigenen Gedanken, Worte und Handlungen. Denn wenn die Strategie misslingt, kannst Du nicht deinen besten Freund beschuldigen, dass der Ratschlag doof war und dass das Ergebnis nun seine Schuld sei. Stattdessen wirst Du Dich eben mit neuen Strategien befassen. Ganz nach dem Motto: Nur aus Fehlern lernen wir; deshalb sind Fehler Helfer.
4. Dein bester Freund oder Deine beste Freundin sind Teil Deines Sozialsystems. Sie sind voreingenommen, weil sie auf Deiner Seite stehen, vielleicht eifersüchtig auf Deinen Partner und womöglich Teil Deines Dilemmas. Demzufolge kannst Du vielleicht nicht so frei darüber sprechen, wie mit einem Fremden. Coaches kennen im Idealfall ihre Klienten zu Beginn des Coachings nicht, sie kennen auch nicht die Personen, über die die Klienten berichten. Was wie ein Nachteil anmutet, ist ein großer Vorteil: Coaches sind allparteilich und unvoreingenommen. Das heißt, sie können Deine Konflikte leichter entwirren, als wenn sie selbst emotional beteiligt wären. Sie schlagen sich nicht auf die Seite von jemandem, sondern helfen Dir das Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, ohne sich dem Verdacht ausgesetzt zu sehen, zu Deinem Partner zu halten.
5. Wir sind uns häufig darüber im Klaren, was uns an unserem Partner stört, welche Eigenart uns stört, was früher besser gelaufen ist. Doch bleiben wir gedanklich und verbal häufig im Problemrahmen stecken. Wir konzentrieren uns so sehr, darauf zu achten, was uns stört, dass wir vergessen darüber nachzudenken, was wir gerne stattdessen hätten. Es ist wesentlich bequemer, über die (in den eigenen Augen) Fehler des Partners zu schimpfen oder zu lästern, als sich damit auseinanderzusetzen, wie man seinen Teil dazu beitragen kann, dass sich etwas zum Positiven verändert. Ein guter Coach würdigt all das, was dazu geführt hat, dass sich das Problem etabliert hat. Jedoch wird er Dich dann sanft über die Brücke schieben, in den Lösungsrahmen hinein. Was willst du stattdessen? Was kannst DU tun? Welche Auswirkungen hätte dein verändertes Verhalten auf andere? Erst auf dieser Seite der Schlucht entsteht Konstruktives.
Was ich hier beispielhaft an der Kommunikation über Konflikte in einer Beziehung aufgezeigt habe, funktioniert genauso in jeder anderen Form des Austausches. Ohne, dass wir es wollen, im Gegenteil: obwohl wir einander helfen wollen, tun wir uns leider oft Gewalt an. Die besseren Lösungen entstehen oft im Coaching: Sie kommen nämlich aus Dir heraus.
Diese fünf genannten Punkte stellen einen kleinen Einblick in die Wirkweise des Systemischen Coachings für Dich dar. Darüber hinaus kommen Basis-Elemente, die Grundhaltungen des Coaches, sein Prozessverständnis und natürlich auch das Herzstück einer jeden Sitzung, die Interventionen, zum Tragen. Zu diesen Themen liest du an anderer Stelle von mir.